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Hormontherapie = Krebs?

14. Dezember 2017Michelle

Das Thema Hormontherapie ist sehr umstritten. Viele Frauen äußern Ängste und Abneigungen gegenüber der Behandlung mit Hormonen. Zurückzuführen sind diese wahrscheinlich vor allem auf die Ergebnisse einer Studie der Women’s Health Initiative (WHI) aus dem Jahr 2002. 2016 wurde sie neu interpretiert. Wie gefährlich ist die Hormontherapie für Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren?

Eine Studie, die Angst machte

An der amerikanischen Studie nahmen insgesamt 16.000 Frauen teil. Es ging darum, die gesundheitlichen Auswirkungen einer Hormontherapie auf die Gesundheit von Frauen in den Wechseljahren zu untersuchen. Eine Hälfte der Frauen nahm ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Gestagen ein. Die andere Hälfte nahm nur Östrogen ein. Nach fünf Jahren wurde die Studie wegen einer erhöhten Rate an Brustkrebs, Schlaganfällen, Thrombosen und Herzinfarkten abgebrochen. In der Studiengruppe, in der ausschließlich Östrogen eingenommen wurde, traten ausschließlich Thrombosen und Schlaganfälle häufiger auf. Ein verängstigendes Ergebnis. Die Folge: Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse, ging die Verordnung von Hormonen um 80 Prozent zurück, Lehrbücher und Behandlungsempfehlungen wurden umgeschrieben.

Die Studienbedingungen stehen unter Kritik

„Seitdem heißt es: Hormontherapien machen krank“, sagt Prof. Dr. Christian Wüster. Er ist Chef des Hormon- & Stoffwechselzentrums Mainz und berät auch Patientinnen in den vorzeitigen Wechseljahren. „Was aber nicht berücksichtigt wurde ist zum einen, dass das Gestagen, das in dieser Studie verwendet wurde, in Europa ohnehin unüblich ist und dass zum anderen, die Gegebenheiten, unter denen die Studie stattfand, schon zu Beginn stark unter Kritik standen“.

Prof. Dr. Christian Wüster ist behandelt auch Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren (© Hormon- und Stoffwechselzentrum Mainz)

Was vor allem kritisiert wurde ist das Alter der Frauen, die an der Studie teilnahmen. Es lag durchschnittlich bei 63 Jahren. Zwei der Autoren der Studie erklären dies in einer Publikation des Fachmagazins „New England Journal of Medicine“ so: Mit der WHI-Studie sollte vor allem geklärt werden, ob sich Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems mit Hormonsubstitution vorbeugen lassen, selbst wenn die Behandlung erst relativ spät angefangen wird.

Die Studienergebnisse wurden jedoch auch auf Frauen im Alter von Anfang 50 übertragen, sodass daraufhin angenommen wurde, dass die Risiken einer Hormonsubstitution in den Wechseljahren höher seien, als die Chancen. „Dabei kann eine Östrogengabe ohnehin nur innerhalb von vier Jahren nach dem Einsetzen der Menopause funktionieren“, so Dr. Wüster, “danach haben die Zellen an der Oberfläche keinen Rezeptor mehr für Östrogene.“ Zu versuchen, die Beschwerden einer 60-Jährigen mit Östrogenen zu lindern, die mit 50 Jahren in die Wechseljahre gekommen ist und seither keine Hormone genommen hat, würde also nicht funktionieren.

Vorerkrankung der Frauen verfälscht die Ergebnisse

Hinzu kam, dass laut dem Berufsverband der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Menopause Gesellschaft ein großer Teil der Probanden Risikofaktoren aufwiesen. So hätte die Hälfte der Teilnehmerinnen starkes Übergewicht oder Bluthochdruck, was Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen seien. Auch seien Raucherinnen unter den Frauen gewesen. Einige hätten sogar Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herzerkrankungen, was bei der Interpretation der Daten nicht berücksichtigt wurde.

Einführung des Brustkrebsscreenings korreliert mit Studienergebnissen

Trotzdem sank in der Folgezeit nach der Veröffentlichung der Studie die Brustkrebsmortalität um gut 50 Prozent. Man fühlte sich in der Annahme, Östrogene würden Krebs verursachen, bestätigt. „Dass im gleichen Zeitraum auch das Brustkrebsscreening eingeführt wurde, wodurch die Qualität der Mammographien besser wurde und sich das Vorgehen der gynäkologischen Onkologen verbessert hat, hat keiner berücksichtigt“, so Wüster.

Hormontherapie muss individuell besprochen werden

Heute behandle man Wechseljahresbeschwerden im Normalfall transdermal, also über ein Dosiergel auf der Haut: „Man gibt das Gelbkörperhormon zur Nacht und morgens das Östrogen auf die Oberarmunterkante und das meist bis zum physiologischen Eintritt der Wechseljahre“.

Und dennoch: Eine Hormonsubstitution sei etwas, dass man mit jeder Frau einzeln besprechen muss. Dass die Studie die Vorerkrankungen der Frauen nicht berücksichtigte, sei in der medizinischen Praxis undenkbar: „Als Arzt muss ich wissen, ob es in der Familie der Frau vermehrt zu Brustkrebs kommt. Wenn ein genetisches Risiko für Brustkrebs vorhanden ist, handle ich anders, als ohne Risiko.“ Der Grund liege im östrogenabhängigen Wachstum von Brustkrebs. „Hat die Frau bereits Krebszellen in sich, dann wachsen sie durch Östrogene schneller“. Deshalb behandle man Brustkrebspatientinnen auch mit Antiöstrogenen, die den Östrogenrezeptor an der Brust blockieren.

Funktionierende Alternativen sind schwer zu finden

Pflanzliche Alternativen gebe es zwar, der tatsächliche Nutzen sei aber nicht bewiesen: „Es gibt wenig, was nachweisbar hilft. Da muss man symptomatisch behandeln. Gegen Hitzewallungen helfen beispielsweise Psychopharmaka oder psychopharmakaähnliche Substanzen“, so Wüster „allerdings haben diese viele Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit“. Eine tatsächlich funktionierende Alternative zur Hormonersatztherapie sei noch nicht erforscht worden.

Die Autoren der Studie entschuldigen sich

Bereits 2007 wurden einige Ergebnisse der Studie neu ausgewertet und auf Frauen unter 50 übertragen. Präsident der Menopausen Gesellschaft Alfred O. Mueck schreibt in einer Pressemitteilung, dass es für diese Frauen „eher eine Prävention für Herzinfarkte, kein erhöhtes Risiko für Insulte und insgesamt eine signifikant verringerte Mortalität“ gebe.

Heute weisen die WHI-Autoren sogar selbst daraufhin, dass durch ein Verwehren einer benötigten Hormontherapie mindestens 20 Prozent der Frauen unnötig leiden würden, da sich die Lebensqualität massiv einschränke. Der Nutzen der Ersatzbehandlung übersteige für die Frauen bei weitem mögliche Risiken. In einer neuen Auswertung der alten Daten zeigt sich, dass sich die Sterblichkeit der Frauen nicht erhöhe.

Bedeutung für Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren

Aber was bedeutet das nun für Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren? „Gott sei dank ist die Häufigkeit von Brustkrebs bei Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren so gering, dass es dazu nicht einmal Studien gibt“, so Prof. Dr. Wüster. Grund dafür sei, dass das Brustdrüsengewebe mit Mitte 20 eine ganz andere Struktur aufweise, als mit 50. Während 75 Prozent aller Brustkrebsneuerkrankungen Frauen ab 50 betreffen, erkranken Frauen unter 30 nur in 0,01 Prozent der Fälle. „Deshalb geht man auch bei Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren davon aus, dass die Chancen einer Hormontherapie die Risiken überwiegen und die Lebensqualität steigt“.

Es fehlen aussagekräftige Studien

Trotzdem sollte man jede Therapie und jede Behandlungsstrategie gemeinsam mit einem Arzt erörtern. Die Frauen sollten von ihrer Vorgeschichte, ihren Ängsten und ihren Hoffnungen erzählen. Nur so kann jede Frau aktiv gegen Beschwerden und Folgeerkrankungen vorgehen. Um wirklich definitiv sagen zu können, wie sich eine Hormontherapie speziell auf die Gesundheit von Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren auswirkt, fehlen aussagekräftige Langzeitstudien.

Weitere Infos zum Thema findet ihr hier:

  • Einen interessanten Text des Krebsinformationsdiensts findet ihr hier.
  • Einen Beitrag des SWR zu Risiken und Chancen findet ihr hier.

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