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Der Menopausen-Mann

30. Januar 2018Michelle

“Männer können das nun mal nicht so verstehen, wie Frauen” – ein Satz, den man im Zusammenhang mit “typischen Frauenproblemen”, immer wieder hört. Dabei wird schon seit mehreren Jahren vermutet, dass es auch eine Art männliche Menopause gibt. Was steckt dahinter und sind Mann und Frau vielleicht doch nicht so unterschiedlich, wie man denkt?

Der Mendelsche-Menopausen-Mann

Bereits im Jahr 1910 trug der Berliner Nervenarzt Kurt Mendel den Begriff “Climacterium virile” in die Welt hinaus und forderte, dass die Wechseljahre des Mannes Anerkennung im öffentlichen Diskurs finden sollten. Diese Forderungen beruhten auf Fallbeschreibungen- und analysen, die er bei Männern um das 50. Lebensjahr herum durchführte. In jedem seiner Fälle, „wurde über Blutwallungen nach dem Kopfe, Angstgefühl mit plötzlichem Schweißausbruch, Herzklopfen, Brustbeklemmung, Mattigkeitsgefühl und Schlaflosigkeit geklagt“. Das Hauptmerkmal, wodurch er das Climacterium virile mit der weiblichen Menopause gleichsetzte, war jedoch „eine ganz auffällige, bis dahin nicht gekannte Neigung zur Rührseligkeit und zum Weinen“.

Climacterium virile oder Andropause

Seither wird immer wieder über das männliche Pendant zu den Wechseljahren diskutiert. Neben dem Mendelschen Begriff “Climacterium virile”, das so viel bedeutet wie “kritischer Zeitpunkt im Leben eines Mannes”, ist die Andropause ein heutzutage häufig genutzter Begriff. In dieser Gleichstellung mit der Menopause, sehen Experten ein großes Problem. So betonte der Endokrinologe Martin Reincke vom Klinikum der Universität München im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk, die Andropause als solche gebe es nicht. Er kritisiert vor allem den Umgang der Pharmaindustrie mit dem Thema: “Wir erleben eine Lifestyle-Medikation, ohne jede Frage, das muss man konstatieren. Wenn man einen solchen Zuwachs von Testosteron-Verordnungen sieht, dann weiß man, dass hier etwas Systemisches erfolgt”. Denn der große Unterschied zu den Wechseljahren liegt tatsächlich dort, wo Mann und Frau in diesem Alter viele Parallelen aufweisen: Im Hormonhaushalt.

Östrogen vs. Testosteron

Während es bei Frauen zu einem plötzlichen und starken Abfall des Sexualhormons Östrogen kommt, fällt die Konzentration des männlichen Sexualhormons Testosteron natürlicherweise nur schleichend und meist sogar symptomfrei ab. Dadurch treten bei den meisten Männern keine Beschwerden auf. Treten doch die von Mendel bereits herausgestellten wechseljahresähnlichen Symptome dauerhaft auf, sprechen Experten vom sogenannten Testosteron-Mangel-Syndrom (TMS). Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Testosteron-Konzentration im Körper eines Mannes ohnehin im Laufe des Tages schwankt. Faktoren wie Stress, Schlafmangel, das Körpergewicht und die Fitness können diese Konzentration außerdem beeinflussen.

Der Umgang mit der Testosteronsubstitution ähnelt dem Hormontherapiediskurs

Der Umgang mit einer zu niedrigen Testosteron-Konzentration ist ebenso strittig, wie der Umgang mit einer zu niedrigen Östrogen-Konzentration bei der Frau. Die meisten Experten empfehlen bei einer Konzentration von unter 8 Nanomol pro Liter eine Testosteron-Substitution. Es scheiden sich jedoch die Geister, ob die Gabe von Testosteron tatsächlich medizinisch gesehen notwendig ist, oder ähnlich wie bei der Hormongabe bei Frauen diskutiert, als “Jungbrunnen” dienen soll. Besonders bei Männern, bei denen kein klares und langfristiges TMS festgestellt werden kann, ist die Hormongabe umstritten. Auch hier wird diskutiert, ob eine Testosteronsubstitution zu Prostatakrebs und Lebererkrankungen führen kann und ob sie überhaupt eingesetzt werden muss. Männern mit schwachen wechseljahresähnlichen Beschwerden wird deshalb häufig zunächst dazu geraten, fit zu bleiben und die Ernährung umzustellen.

Parallelen zwischen jungen Männern und Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren

Einig scheint man sich jedoch wie bei Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren auch bei jüngeren Männern mit dauerhaften Testosteronmangelerscheinungen zu sein. Auch hier könnte das Risiko an Osteoporose zu erkranken steigen. Das Kompetenz Centrum Urologie e.V. in Köln schreibt beispielsweise, dass ein Hormonmangel auch auf “angeborene oder durch Operationen oder Unfälle verursachten Hormonprodroduktionsstörungen” zurückzuführen sein kann. In solchen Fällen sieht man eine Testosteronsubstitution als medizinische Notwendigkeit an. 

Keine gute Mischung

Ob es das männliche Pendant zu den Wechseljahren nun medizinisch gesehen tatsächlich gibt, oder nicht, Fakt ist, auch die Konzentration des männlichen Sexualhormons nimmt im Laufe der Zeit ab. Würde die Testosteronkonzentration beim Mann ebenso schnell und plötzlich absinken, wie die Östrogenkonzentration bei der Frau ab 50, dann würden Männer und Frauen wahrscheinlich gleichzeitig unter den gleichen Beschwerden leiden. Ob das eine gute Mischung ergeben würde, bleibt offen.

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