Vorzeitige Wechseljahre und Depressionen
Vorzeitige Wechseljahre sind für viele Frauen keine einfache Diagnose. Durch das Zusammenspiel aus persönlichen und biologischen Faktoren, kämpfen einige Frauen mit extremen Stimmungstiefs, bis hin zu depressiven Verstimmungen und Depressionen. Diplom-Psychotherapeut Nils Nagel weiß, worauf es dann ankommt.
Woher kommt die Verstimmung wirklich?
“Für mich als Therapeut gilt es, die tatsächliche Ursache für die Verstimmung herauszufinden”, sagt Diplom-Psychotherapeut Nils Nagel. “Ist es nun ein sozialer, persönlicher oder biologischer Auslöser, der hinter einer Depression oder depressiven Verstimmung steckt?” Er selbst fand bei einer Patientin heraus, dass ihre schwere Depression durch das Absetzen einer Hormontherapie in den vorzeitigen Wechseljahren ausgelöst wurde, was eigentlich der Frauenarzt hätte feststellen müssen. “Oftmals ist es sehr schwer auseinanderzuhalten”, so Nagel, “aber im Allgemeinen kann man sagen: Immer wenn Frauen Stimmungsschwankungen, eine hohe Affektlabilität und Reizbarkeit, Ängste und Schlafstörungen entwickeln, ohne dass es eine konkrete Auslösesituation gibt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es mit Hormonen zutun hat”. Oft ist es aber auch gerade in den Wechseljahren eine Mischung.
Ein Hormonstatus ist unerlässlich
Um wirklich herauszufinden, woher die Verstimmung kommt, sollte ein Hormonstatus erstellt werden. Oftmals ist sogar der Psychotherapeut derjenige, der die Frauen dazu anregt, sich testen zu lassen: “Vor allem Schilddrüsenentzündungen- und Unterfunktionen werden beim Hausarzt häufig nicht richtig erfasst”. Da vorzeitige Wechseljahre häufig mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse einher gehen, ist eine solche Diagnose nicht unüblich. Für die Frauen ist das verheerend: “Viele dieser Frauen haben extreme Panikattacken, schwere Angstzustände und können in schlimmen Fällen einfachste Alltagssituationen nicht mehr bewältigen”. Nicht selten sind diese Frauen auch selbstmordgefährdet.
Grad der Verstimmung hängt mit vielen Faktoren zusammen
Wie schwer eine Verstimmung oder Depression am Ende ist, liegt aber am Zusammenspiel vieler Faktoren: So seien Frauen, die von ihren Partnern unterstützt werden, weniger depressiv, als Frauen, bei denen der Partner kein Verständnis für sexuelle Unlust und Reizbarkeit zeigt. Aber auch die Persönlichkeit der Frau spiele eine Rolle: “Frauen, die es gewohnt sind, über alles die Kontrolle zu behalten, rutschen schneller in eine Depression, wenn sie nicht mehr Herr über ihren Körper sind”.
Behandlung von Depressionen
Bei einer schwergradigen Depression handeln Psychotherapeuten nach den Guidelines der American Psychiatric Association: “Man wendet eine Kombinationstherapie aus Psychotherapie und Antidepressiva an”. Antidepressiva werden solange getestet, bis das richtige gefunden wurde. Bei Frauen, bei denen die Depression von der Schilddrüse oder den Geschlechtshormonen herrührt, sei die Zusammenarbeit der Behandler essentiell, wenn beispielsweise mit einer Hormontherapie gearbeitet wird, um die Wechseljahresbeschwerden zu lindern. Nicht jede Verstimmung muss mit Antidepressiva behandelt werden.
Für viele Frauen sind Wechseljahre aber auch kein Thema
Für viele Frauen sind die Wechseljahre aber auch kein Problem. So ist in der Praxis von Nils Nagel gerade das Älterwerden kein großes Thema bei Frauen. Überraschenderweise hätten Männer viel größere Probleme damit: “Da geht es weniger um das Versagen der genitalen Reaktion, sondern eher darum: “Nach mir dreht sich keiner mehr um””. Das Thema Sexualität werde in der Medizin aber ohnehin “stiefmütterlich behandelt”, so Nagel. Man rede zu wenig darüber und könne so sexuelle Beschwerden – auch in den Wechseljahren – nicht lindern, obwohl diese oftmals entweder rein psychologisch oder medizinisch sind und mit einer Therapie behoben werden können.
Schockmoment und Ungewissheit führen zu Gefühlschaos
Bei Frauen in den vorzeitigen Wechseljahren scheint es vor allem der erste Schockmoment und die Ungewissheit zu sein, die starke Stimmungstiefs auslösen können. Ein höheres Depressionsrisiko ist nicht gegeben. Viele berichten aber davon, dass sie sich zunächst nicht mehr wie eine Frau gefühlt hätten, weil sie nicht mehr ihre Periode bekämen und nicht mehr dazu in der Lage wären, ein Kind zu kriegen. Später hätte sich dieses Gefühl aber gelegt. Meist wissen sie selbst nicht genau, warum sie sich so fühlten. Was dann oftmals fehlt, ist Zeit: “Ich als Psychologe habe die Zeit, Dinge aus den Frauen herauszukitzeln. Die da draußen haben die Zeit aber nicht. Ich habe 50 Minuten, die haben fünf. Und in fünf Minuten kann man nicht die richtigen Fragen stellen”.
Man sollte letzten Endes auf seinen Körper hören
Vorzeitige Wechseljahre sind keine psychische Krankheit und so muss auch nicht jede Frau nach der Diagnose einen Therapeuten aufsuchen. Oftmals hilft ein Gespräch mit dem Partner, der Familie oder Freunden. Dennoch ist es wichtig, sich ehrlich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, sie zu analysieren und sich zu fragen: “Wie geht es mir eigentlich und woher kommt meine Stimmung?”. Findet man selbst keinen persönlichen Grund für die psychischen Beschwerden, sollte aber in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden, um den tatsächlichen Auslöser finden zu können und die Symptome zu lindern.
Comments (1)
„Es geht mir besser. Nicht gut, aber besser“ – poisie
4. Januar 2018 at 12:41
[…] aber nicht, dass die Schilddrüsenhormone ausreichen. Bei manchen reicht es, bei manchen nicht“. Erst ihr Psychiater kam schließlich darauf, woher ihre starken Beschwerden wirklich rührten: „Er stellte fest, dass ich doch eine Schilddrüsenunterfunktion habe“. Eine Diagnose, die […]
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